Sonntag, 14. Juni 2020

Cjamango (Django - Kreuze im blutigen Sand)


It., 1967. Regie: Edoardo Mulargia


Revolverheld Cjamango – in der deutschen Fassung wurde aus ihm eine weitere Django-Inkarnation – hat Glück im Spiel. Gerade hat er einen üppigen Goldschatz zweifelhafter Herkunft gewonnen, ob er dabei getrickst hat, bleibt unklar. Doch sein Glück währt nicht lange – kaum hat er seinen Spielpartner ins Jenseits befördert, weil dieser sich als kein guter Verlierer erwies, schon droht Cjamango das gleiche Schicksal. Eine schiesswütige Bande überfällt das Lokal und knallt alles nieder, was sich bewegt. Cjamango überlebt verletzt, doch das Gold ist er los. Wenig geneigt, sich damit abzufinden, macht er sich auf die Suche nach den Räubern. Dabei verschlägt es ihn in ein Dorf, das sich gerade in heller Aufruhr befindet. Die Bewohner glauben, die Pest sei ausgebrochen und verlassen den Ort fluchtartig. Zurück bleiben zwei rivalisierende Banden – eine von beiden hat sich das Gold unter den Nagel gerissen, die andere ist fest entschlossen, es den Rivalen abzujagen. Außer ihnen blieben noch eine Frau und ein kleiner Junge im Dorf zurück, sie versuchen sich zwischen den Fronten zu behaupten.

Cjamango aber interessiert nur das Gold – so versucht er, eine Bande gegen die andere auszuspielen. Doch da gibt es noch einen weiteren Fremden, der Cjamango auffällig dicht auf den Fersen bleibt.

Vieles an „Cjamango“/“Django – Kreuze im Blutigen Sand“ erinnert natürlich an die Mutter aller Spaghetti-Western, Sergio Leones „Für eine Handvoll Dollar“. Der einsame, schweigsame Pistolero, der – von nicht immer hehren Beweggründen getrieben – am Ort des Geschehens auftaucht und die lokalen Platzhirsche gegeneinander ausspielt, dieses Plot-Grundmuster geht unzweifelhaft auf Leone zurück. Auch die einsame Frauenfigur, die in dieser manisch aufs Morden und Sterben fixierten Männergesellschaft mit allen Mitteln ums Überleben kämpft, hat ihr Vorbild in Marianne Kochs Rolle im erstem Dollar-Film.

Was den Plot anbetrifft, liefert Edoardo Mulargias Film also kaum Überraschungen, sieht man einmal von der „unerwarteten“ Wendung ab, die das Geschehen kurz vor Schluss nimmt, und die für den aufmerksamen Zuschauer so unerwartet natürlich gar nicht kommt. Ansonsten variiert „Cjamango“ das bewährte Grundmuster kaum. Der Protagonist ist ein Schurke, wenn auch kein ganz mieser, die Gangsterbosse sind raffgierig und eiskalt, und die einzige Frau im Dorf ist auch alles andere als eine Heilige. Ihr Schicksal ist das der meisten Frauenfiguren im Italo-Western: es gibt für sie schlicht keinen Platz, so kann sie nur scheitern. Das bedeutet, dass sie von der Bildfläche verschwinden muss (wie Marianne Koch in Leones Film), ansonsten wartet der unausweichliche, gewaltsame Tod auf sie.

Und auch ein wirkliches Happy-End gibt es nicht in diesem nihilistischen Kosmos – hier wird keine natürliche Ordnung wieder hergestellt (anders als im amerikanischen Western), sondern das Spiel geht ewig so weiter und wer zuletzt lacht, der lacht immer noch am besten.

Nicht nur inhaltlich, auch Stilistisch hält sich Regisseur Mulargia weitgehend zurück. Der offenbar mit wenig Geld gedrehte Film ist routiniert und straff inszeniert, es fallen weder Längen noch nennenswerte visuelle Mätzchen auf. „Cjamango“ gehört eindeutig nicht zu den barock-bizarren Vertretern des Italo-Western, noch verfällt er in Klamauk, auch wenn die deutsche Synchro (Rainer Brandt mal wieder....) sich redlich Mühe gibt: „E.W.G. – einer wird gewinnen“ lässt er Cjamango nach gewonnenem Kartenspiel sagen. Besser ist man hier eindeutig mit der italienischen Originaltonfassung beraten, schon weil dieses mal nahezu alle Darsteller mit Ausnahme von Hargitay offenbar italienisch sprechen. Der Grundton des Films ist ernst, wenn auch nicht tragisch oder zu sentimental, und so laufen die ständigen Versuche der deutschen Synchronregie, das Ganze auf Kalauer hin zu trimmen, zwangsläufig ins Leere.


Die Hauptrolle des Cjamango spielt der kroatischstämmige Italiener Ivan Rassimov, damals noch unter dem Pseudonym Sean Todd. In den Folgejahren entwickelte sich Rassimov zum vielbeschäftigten Genredarsteller, der dank seines markanten Gesichts zunächst vom Regisseur Sergio Martino bevorzugt als dämonische Nebenfigur in seinen Gialli besetzt wurde. Später drehte Rassimov mit Umberto Lenzi und Ruggero Deodato einige legendär-berüchtigte Kannibalen-Filme, spielte mit wechselnden Haarfarben in diversen Poliziotteschi den Schurken und tauchte an der Seite von Laura Gemser in zwei Emanuelle-Filmen von Joe D’Amato auf.

In „Cjamango“ steht Rasimov, dessen Schwester Rada übrigens ebenfalls eine Karriere im Genrefilm verfolgte, noch am Beginn seiner Laufbahn. Man erkennt ihn kaum unter dem Dreitagebart, auch sein später so markanter stechender Blick ist noch nicht ganz ausgeprägt. Dennoch, sein Gesicht ist interessant/markant genug, um dem Film zu tragen.  Anhänger von Clint Eastwood und Franco Nero werden Rassimov in der Cjamango-Rolle vermutlich als etwas farblos empfinden, doch sein zurückhaltendes Spiel passt perfekt zum Film.

Neben Rassimov treten in „Cjamango“ einige weitere vertraute Genre-Darsteller auf – so spielt Piero Lulli wie immer verlässlich den Schurken, während Hélène Chanel (eigentlich Hélène Stoliaroff) als hinreißend zwielichtiges Objekt der Begierde eine ähnlich gute Darstellung liefert. In der Rolle des rätselhaften, schwarz gekleideten Fremden tritt Mickey Hargitay auf, der ungarische ex-Bodybuilder und ex-Gatte von Jayne Mansfield. Hargitay ist nie ein guter Schauspieler gewesen, allerdings fällt das in der Rolle, die er in „Cjamango“ spielt, kaum auf, denn er verbirgt sein Gesicht meist unter der breiten Hutkrempe.

In der etwas nervtötenden Rolle des kleinen, schutzbedürftigen Jungen (Kinderrollen sind immer eine Sache für sich...), tritt der damals vielbeschäftigte Kinderstar Giusva Fioravanti auf. Seine Laufbahn nahm eine ganz unerwartete Wendung, als er sich – kaum volljährig – den italienischen Neofaschisten als Terrorist anschloss und schließlich für über 90 Morde zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Unter den Verbrechen, die ihm angelastet wurden, zählte auch der berüchtigte Bombenanschlag auf den Hauptbahnhof von Bologna, der 1980 ganz Italien in Angst und Schrecken versetzte. Vielleicht hätte Cjamango das Dynamit besser hochgehen lassen, anstatt den unerträglichen Balg zu retten....

„Cjamango“-Regisseur Edoardo Mulargia gehört unter den italienischen Genreregisseuren eindeutig ins zweite Glied, auch wenn er einige interessante Filme inszenierte – darunter der exotische Giallo „Death in Haiti“ (1972) und der Western „W Django!“ (1971), beide mit Anthony Steffen. Mulargias Karriere endete 1980 mit einigen Frauengefängnis-Filmen, die deutlich in Hardcore-Gefilde kippten.

„Cjamango“/“Django – Kreuze im Blutigen Sand“ erschien 1967, als der Italo-Western seinen Zenith erreichte, und er lief seiner bescheidenen Herkunft und Machart zum Trotz recht erfolgreich im Kino. In der Masse der Italo-Western ragt er kaum heraus, allerdings weist er auch keine allzu drastischen Mängel auf. Ein Routine-Werk also, für das sich vermutlich vor allem Genrefans interessieren werden.

In der Italo-Western Reihe von Koch Media erschien er unter dem deutschen Verleihtitel „Django – Kreuze im Blutigen Sand“ als Nummer 17. Dass er in Deutschland zum Django-Film umgewidmet wurde überrascht wenig, und in diesem Fall war es ausnahmsweise durchaus konsequent – allein der Name Cjamango verrät schon, dass die Macher des Films die populäre Django-Figur fest im Blick hatten. Die Kreuze im blutigen Sand wird man im Film allerdings vergeblich suchen.

Leider fällt die DVD hinsichtlich der Bildqualität deutlich aus dem Rahmen. Das Bild ist durchweg zu weich, die Farben verlaufen wie bei einer VHS-Kassette, Treppchenbildung überall, Landschaften flirren um die Wette – kurzum, es ist offensichtlich, dass Koch eine Vorlage zur Verfügung hatten, die qualitativ weit unter dem gewohnten Niveau lag. Vermutlich gab man sich Mühe, herauszuholen was herauszuholen war, dennoch muss man leider sagen, dass das Resultat enttäuschend ausgefallen ist. Das macht diese Veröffentlichung umso mehr zur reinen Fan-Sache.

Als Extra gibt es ein 20-minütiges, atemloses Interview mit dem italienischen Filmhistoriker Bruschini, zusammen mit den Liner Notes von Christian Kessler dürfte dies alle Fragen zum Film befriedigend beantworten. Dazu Trailer auf deutsch, englisch und italienisch, und eine Bildergalerie.

Wer sich nicht gerade als Spaghetti-Western-Fan betrachtet, sollte es besser mit einem anderen Film aus der Reihe versuchen, für die Spezialisten dürfte wiederum die magere Bildqualität ein deutliches Manko darstellen. Unterm Strich bleibt ein unterhaltsamer, wenn auch nicht weiter bemerkenswerter Film in einer für Koch untypisch schwachen Edition. Für Komplettisten und Rassimov-Fans.

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